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Rumäniens Wiederholungswahl: Diesmal ohne Einflussnahme?



Bildquelle: picture-alliance/dpa, Soeren Stache
Bildquelle: picture-alliance/dpa, Soeren Stache

Während Versuche, Wahlen durch Desinformation zu beeinflussen – insbesondere durch rechtsextreme Akteur:Innen – in jüngster Vergangenheit vermutet wurden, etwa bei der Europawahl 2024 und der Bundestagswahl 2025 (mit russischen FIMI-Operationen, Doppelgänger-Kampagnen und digitaler Mobilisierung), markierte die rumänische Präsidentschaftswahl 2024 einen tatsächlichen Wendepunkt und eine neue Eskalationsstufe: Erstmals wurde eine Wahl in der EU aufgrund nachgewiesener Desinformation annulliert. Auslöser war der überraschende Wahlerfolg des Rechtspopulisten Călin Georgescu, eines ehemaligen AUR-Politikers, der als unabhängiger Kandidat antrat und dessen Kampagne nachträglich vom rumänischen Verfassungsgericht mit koordinierten russischen Einflussoperationen in Verbindung gebracht wurde. Rumänien ist seit 2007 fest in den gemeinsamen politischen und sicherheitspolitischen Raum der EU eingebunden. Die koordinierte und anhaltende Beeinflussung des rumänischen Informationsraums ist daher kein isoliertes Phänomen, sondern verdeutlicht vielmehr die anhaltende Ausnutzung struktureller Verwundbarkeiten innerhalb der EU-Mitgliedstaaten durch externe Akteure wie Russland.

Am vergangenen Wochenende fanden Neuwahlen statt, doch die Lage und die Stimmauszählung waren angespannt. Georgescu wurde inzwischen von der politischen Bühne verdrängt. Nach seiner Festnahme im vergangenen Jahr und den laufenden Ermittlungen wurde ihm die Kandidatur de facto untersagt. Nun lief es alles auf eine Stichwahl zwischen zwei gegensätzlichen Lagern hinaus: George Simion (AUR), ein ehemaliger Fußball-Hooligan mit rechtsextrem-euroskeptischem Kurs, tritt gegen den proeuropäischen Kandidaten Nicușor Dan (Gründer der USR-Partei, jetzt unabhängiger Kandidat) an.

Simion, der sowohl von der Ukraine als auch von der Republik Moldau zur Persona non grata erklärt wurde, genoß, ähnlich wie zuvor Georgescu, indirekte Unterstützung durch russlandnahe Netzwerke. So hat der Kreml-Ideologe Alexander Dugin, der oft als Vordenker von Putins neofaschistischer Eurasien-Doktrin bezeichnet wird, Simion öffentlich als “Feind unseres Feindes” gelobt. Die gezielte Einflussnahme aus Moskau scheint nach dem Ausscheiden Georegescus lediglich ihr Gesicht verändert zu haben.


Simion profitierte nach wie vor von einer starken Präsenz auf TikTok sowie von einer Welle rechtsextremer Rhetorik, in deren Zentrum die Idee eines “Großrumäniens” steht. Memes und reichweitenstarke Influencer*innen mit zweifelhaften politischen Verbindungen verstärken seine Kampagne - ein aus dem Arsenal moderner Desinformation hinlänglich bekanntes Muster. Laut Medienberichten hat TikTok inzwischen zehntausende Fake-Accounts gelöscht, die mit Simion und Georgescu in Verbindung stehen sollen. Außerdem präsentierte sich Simion als Stimme des ländlichen Rumäniens, als Verteidiger gegen vermeintliche Eliten und als patriotischer Hoffnungsträger, der dem Land nach Jahrzehnten politischer Stagnation und korruptionsgeprägter Regierungen seinen „alten Glanz“ zurückgeben will. Seine Rhetorik erinnert dabei nicht zufällig an das MAGA-Narrativ, Simion gilt auch als Bewunderer Donald Trumps und Fan von Giorgia Meloni. Im Kontext europaweit wachsender EU-Skepsis wurde Rumänien so zum nächsten Testfall für die demokratische Resilienz der Europäischen Union.


Georgescu, der mittlerweile nicht mehr im Rennen war, unterstützte Simion öffentlich – und dürfte hoffen, dass sich ähnliche Vorwürfe wie jene gegen ihn nicht auch gegen seinen ideologischen Nachfolger erheben. Seit seiner Festnahme am 26. Februar 2025 sind zahlreiche Anschuldigungen öffentlich geworden: von mutmaßlichen Sicherheitskräften mit Verbindungen zur Wagner-Gruppe bis hin zu koordinierten Desinformationskampagnen zur Destabilisierung der politischen Ordnung. Bemerkenswerterweise erhielt Georgescu bereits vor seiner Inhaftierung Sympathiebekundungen von Elon Musk und JD Vance, was die Debatte über ausländische Einflussnahme zusätzlich anheizt und verkompliziert.

Im Vergleich zu seinem Vorgänger gab sich Simion im Tonfall zurückhaltender. Offenbar war er bemüht, moderate Wähler:Innen nicht zu verschrecken und die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden zu vermeiden. Doch seine harte Linie gegen militärische Unterstützung für die Ukraine blieb bestehen – ein Thema, das ihn auch international in den Fokus rückte. In Brüssel wuchs die Sorge, dass sich Rumänien unter Simions Führung dem informellen anti-europäischen Block um Ungarn und die Slowakei anschließen könnte.

Die Desinformationsbemühugen erwiesen sich jedoch diesmal unzureichend, denn die Wahl nahm eine positive Wendung. Der proeuropäische Kandidat und Bürgermeister von Bukarest, Nicușor Dan, gewann mit 54,2% der Stimmen, während sein Kontrahent Simion auf 45,8% kam. Simion versuchte zunächst, Dans Sieg abzustreiten. Er erklärte sich selbst zum Wahlsieger, verbreitete anschließend Falschinformationen über angebliche Wahlmanipulationen und rief zu landesweiten Protesten auf. Dies war ein gezielter Versuch, die ohnehin angespannte Lage in Rumänien weiter zu destabilisieren. Angesichts des deutlichen Stimmenunterschieds konnte Simion das Wahlergebnis nicht länger ignorieren und gratulierte Dan schließlich in einem Facebook-Video zum Sieg. Darin inszeniert er sich als “lone wolf” gegen das System und kündigt an, weiterzukämpfen.


Die starken Siegesbilder von Nicușor Dan aus den Straßen Bukarests stehen einmal mehr symbolisch für die Hoffnung, dass Desinformation bekämpft und überwunden werden kann.

Haben Informationsoperationen den Ausgang der Wahlen beeinflusst? Das ist nicht die entscheidende Frage. Die eigentliche lautet: Auf welche Weise und in welchem Ausmaß kam es zur Beeinflussung? Eine eindeutige Antwort ist schwer zu geben, denn obwohl sich die Anzahl an Fake-Accounts, Beiträgen und Narrativen messen lässt, sagt das wenig über deren tatsächliche Wirkung aus. Dem Diskurs zur Wirkungsmessung von Desinformation und Einflusskampagnen widmen wir uns in einer der kommenden Ausgaben.

Nun richtet sich der Blick der EU auf die Präsidentschaftswahlen in Polen, deren zweite Runde am 1. Juni stattfindet.

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