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Verfassungschutzbericht 2024: Desinformation in Deutschland

Aktualisiert: 14. Nov.

Screenshot via bmi.bund.de
Screenshot via bmi.bund.de

Am 10. Juni 2025 wurde der Verfassungsschutzbericht für das Berichtsjahr 2024 veröffentlicht. Es ist der erste Bericht unter Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. In seinem Vorwort betont Dobrindt, dass die verfassungsmäßige Ordnung Deutschlands "fast täglich Angriffen ausgesetzt" sei, unter anderem durch "Desinformation." Bereits hier wird deutlich, dass der Begriff Desinformation als zentraler Bestandteil gegenwärtiger sicherheitspolitischer Bedrohungslagen verstanden wird. Insgesamt wird das Wort im Bericht 18-mal genannt.


Der Bericht spiegelt die Einschätzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wider, das als Inlandsnachrichtendienst eine Schlüsselrolle beim Erkennen und Einordnen sicherheitsrelevanter Phänomene einnimmt. Er dokumentiert die Beobachtungen des BfV und der LfVs über extremistische Bestrebungen, Spionage, Cyberangriffe und hybride Einflussoperationen. Desinformation wird dabei in mehreren Phänomenbereichen thematisiert und als Instrument identifiziert, das sowohl von staatlichen als auch nicht-staatlichen AkteurInnen genutzt wird.


Desinformation im Kontext fremdstaatlicher Einflussoperationen

Der umfassendste Bezug zu Desinformation findet sich im Kapitel über die Aktivitäten der russischen Nachrichtendienste. Diese nutzen laut BfV Einflussnahme, Desinformation und Cyberangriffe als kombinierte Mittel hybrider Bedrohung. Die russischen Dienste passen ihre Aktionsformen flexibel an veränderte Rahmenbedingungen an und setzen zunehmend auf Einflussoperationen über digitale Plattformen. Ziel sei es, das Vertrauen in politische Institutionen und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland zu untergraben.


Auch chinesische Nachrichtendienste werden in diesem Zusammenhang genannt. Zwar steht bei China die Informationsbeschaffung laut BfV im Vordergrund, doch verweist der Bericht auch hier auf Formen der Einflussnahme, die in Bereichen wie Wissenschaft, Wirtschaft und Politik mit manipulativen Mitteln operieren (vgl. Ausgabe #2).


Desinformation durch nicht-staatliche extremistische Akteure

Neben staatlich gesteuerter Desinformation widmet sich der Bericht auch Fällen, in denen extremistische Gruppen innerhalb Deutschlands gezielt irreführende oder manipulativ vereinfachende Narrative einsetzen. Besonders deutlich wird dies im Bereich der "verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates". Hier werden AkteurInnen beschrieben, die das Vertrauen in demokratische Institutionen durch Falschinformationen und emotionalisierende Kommunikation untergraben. Auch die rechtsextremistische Szene greift laut Bericht auf Desinformationsstrategien zurück, etwa zur Skandalisierung von Fluchtmigration oder zur Verbreitung verschwörungsideologischer Weltbilder (Hörtipp Unser neuer Podcast: Und DAS glaubst du?! Folge 00 - Verschwörungstheorien).


Linksextremistische Strukturen wiederum nutzen Desinformation im Kontext der Skandalisierung von Polizeieinsätzen oder zur Mobilisierung gegen staatliche Stellen. Der Bericht stellt klar, dass solche manipulativen Kommunikationsformen dazu dienen können, das Gewaltpotenzial innerhalb extremistischer Milieus zu steigern.


Desinformation als Element hybrider Bedrohungslagen

Der Bericht verortet Desinformation eindeutig im Kontext hybrider Bedrohungen. Das BfV beschreibt diese als Kombination aus Spionage, Sabotage, Cyberangriffen und psychologischer Einflussnahme. Desinformation spielt hierbei eine zentrale Rolle, da sie eine vergleichsweise kostengünstige und schwer zu entlarvende Methode ist, um Unsicherheit zu stiften und das Vertrauen in staatliche Strukturen zu schwächen. Die hybride Natur solcher Angriffe erschwert zudem eine eindeutige Zurechenbarkeit und Reaktion.


Die russischen Operationen gegen Deutschland seien laut Bericht paradigmatisch für diese Form der Bedrohung. Hier würden klassische und moderne Methoden miteinander verknüpft, etwa wenn Cyberangriffe durch gezielte Desinformationskampagnen in sozialen Netzwerken begleitet werden. Das prominenteste Beispiel mit DEU Bezug ist hierbei die Doppelgänger Kampagne sowie Storm-1516.


Anpassungsfähigkeit als Merkmal moderner Desinformationsakteure

Ein wiederkehrendes Motiv des Berichts ist die hohe Anpassungsfähigkeit der AkteurInnen, die Desinformation einsetzen. Dies gilt sowohl für staatliche Nachrichtendienste wie für extremistische Gruppierungen. Die eingesetzten Narrative, Plattformen und Zielgruppen würden laufend überprüft und angepasst, eventuell mit Unterstützung der KI. Besonders relevant ist dies im Zusammenhang mit krisenhaften Ereignissen wie dem Nahostkonflikt oder innenpolitischen Debatten, die gezielt für Desinformationszwecke instrumentalisiert werden.


Diese Dynamik stellt laut BfV erhebliche Anforderungen an die Früherkennung und Analyse solcher Bedrohungen. Das Bundesamt hebt hervor, dass es seine analytischen Fähigkeiten weiter ausgebaut und die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern sowie wissenschaftlichen Einrichtungen intensiviert hat. Es bleibt abzuwarten welche Rolle der neue zu etablierende Nationale Sicherheitsrat, sowie das nationale Lagezentrum sich in diese Prozesse etablieren lassen. 


Desinformation als strategische Herausforderung für die wehrhafte Demokratie

Der Verfassungsschutzbericht 2024 macht deutlich, dass Desinformation kein randständiges Phänomen mehr ist, sondern ein zentrales Mittel in der Auseinandersetzung um gesellschaftliche Kontrolle und politische Deutungshoheit. Das BfV versteht Desinformation dabei als Schlüsselelement im Instrumentarium autoritärer Staaten wie auch extremistischer Bewegungen.


Mit der konsequenten Beobachtung hybrider Bedrohungen, der internationalen Zusammenarbeit und einer aktiven Aufklärung der Öffentlichkeit positioniert sich der Verfassungsschutz als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Verteidigungslinie. Denn wie es Innenminister Dobrindt im Vorwort des Berichts formuliert: „Jede Demokratie braucht jemanden, der sie schützt.“

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