Neuer BBK-Ratgeber: Deutschland rüstet sich spät, aber endlich gegen Desinformation und Einflussnahme
- Tim Stark
- 21. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Mit der neuen Handreichung „Vorsorgen für Krisen und Katastrophen“ legt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erstmals ein Dokument vor, das Kommunikationssicherheit und den Umgang mit Desinformation als festen Bestandteil der zivilen Resilienz definiert. Dieser Schritt ist überfällig und zugleich ein wichtiges Signal: Deutschland erkennt nun offiziell, dass moderne Krisenvorsorge nicht nur aus Wasserkanistern, Notgepäck und Sirenen besteht, sondern ebenso aus robuster öffentlicher Kommunikation, vertrauensbildender Informationspolitik und Widerstandsfähigkeit gegenüber kognitiven Einflussoperationen.
Besonders dort, wo das BBK den Schutz des Informationsraums (konkret Seite 12 bis 19), die Rolle staatlicher Kommunikation und die Gefahr manipulativer Einflusskampagnen beschreibt, wird klar, dass sicherheitspolitische Realität heute mehr umfasst als physische Schadenslagen. Desinformation, hybride Einflussnahme und psychologische Operationen werden nicht als Randaspekte, sondern als reale Bedrohungen benannt, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Vertrauen in Institutionen und demokratische Entscheidungsprozesse gezielt untergraben können. Damit öffnet das BBK endlich den Blick für eine Dimension, die international schon lange in die Resilienzplanung integriert ist.
Gerade dieser internationale Vergleich zeigt jedoch die Schwäche der deutschen Ausgangslage: Staaten wie Estland, Litauen oder auch Großbritannien haben bereits vor Jahren umfassende strategische Kommunikationsstrukturen geschaffen, spezialisierte Taskforces aufgebaut und systematische Frühwarnmodelle gegen Einflussoperationen etabliert. Auch die EU hat — etwa mit den East-StratCom-Aktivitäten des Europäischen Auswärtigen Dienstes — früher reagiert und professionelle Desinformationsanalyse als dauerhafte Aufgabe verankert. Deutschland dagegen hat sich lange auf ein Nebeneinander einzelner Projekte, Medienkompetenz-Appelle und regulatorische Fragmentlösungen verlassen. Das BBK-Dokument wirkt somit wie ein verspäteter, aber notwendiger Einstieg in ein Feld, in dem andere Partner staatlich, analytisch und kommunikativ deutlich weiter sind.
Positiv hervorzuheben ist, dass die Handreichung nicht auf technische Abwehr reduziert bleibt, sondern Kommunikation als Vertrauensarbeit versteht: Informationszugang sichern, Transparenz stärken, Behörden als verlässliche Stimme positionieren, Medien- und Informationskompetenz fördern — all dies sind Bausteine, die moderne Resilienz tatsächlich schichtenweise stärken können. Besonders die klare Warnung vor manipulativem Agenda-Setting und gesellschaftlicher Spaltung durch externe Akteure zeigt, dass hier ein realistisches Lagebild formuliert wird. Jetzt müssten nur noch alle 83,51 Mio Einwohner das Dokument lesen und verinnerlichen, und das ganze am besten auch noch vor einer Krisensituation (haha).

Bildquelle: Screenshot aus BBK Ratgeber: Vorsorgen für Krisen und Katastrophen; S.15
Kritisch bleibt allerdings, dass das Dokument streckenweise sehr allgemein bleibt. Es benennt Bedrohungen zutreffend, skizziert Anforderungen plausibel — doch konkrete Verantwortlichkeiten, klare Mechanismen der Krisenkommunikation und verbindliche Maßnahmenketten fehlen. Ohne klare Zuständigkeiten, schnelle Reaktionswege, Echtzeit-Monitoring und professionalisierte strategische Kommunikation droht ein Umsetzungsvakuum: Die Analyse ist richtig, die Richtung stimmt — aber die operative Konsequenz bleibt noch offen. Fairerweise gilt es natürlich zu berücksichtigen, dass die Zielgruppe des Dokuments die Bevölkerung ist, dementsprechend die Oberflächlichkeit.
Gerade deshalb sollte der Schritt des BBK als Auftakt verstanden werden, nicht als Abschluss. Dass das BBK mit dieser Veröffentlichung die Gefahr kognitiver Einflussoperationen endgültig im Zentrum der zivilen Resilienz verankert, ist jedoch ausdrücklich zu begrüßen. Deutschland hat erkannt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Jetzt muss aus dem richtigen Befund entschlossenes, professionelles Handeln folgen.





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