Roter Teppich, schwarze Nacht - Cannes erlebt einen filmreifen Stromausfall
- Markus Watzl
- 1. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Nov.

KinobesucherInnen kennen diesen magischen Moment: Im Saal erlöscht das Licht und das Publikum lässt sich auf ca. zwei Stunden immersive Erfahrung aus Bild, Ton und die dadurch transportierte Emotion ein. Und nach Ende der Vorstellung wird der Saal wieder erleuchtet und die Zuschauer verlassen den Saal.
Am 24. Mai, dem Abschlusswochenende des renommierten Filmfestivals in Cannes, blieben manche Säle, bspw. im Multiplexkino Cineum, dunkel. Am Morgen ereignete sich ein Stromausfall, der rund 160.000 Haushalte in der Côte d’Azur-Metropole, sowie die umliegenden Kommunen betraf.
Die Sicherheitsbehörden gehen von einem Sabotageakt aus. An einem Hochspannungsmast in Villeneuve-Loubet, einem Ort zwischen Nizza und Cannes, wurden laut Staatsanwaltschaft drei der vier Beine durchsägt. Der Stromnetzbetreiber RTE war daraufhin gezwungen, die Leitung abzuschalten, was den Stromausfall in Cannes indirekt verursachte.
Einen Tag darauf kam es auch zu einem Stromausfall in der Küstenstadt Nizza, von dem rund 45.000 Haushalte betroffen waren. Auch hier geht die Staatsanwaltschaft von bewusst-herbeigeführter Sabotage aus. In einer Umspannstation in der Ortschaft Tanneron wurde mutmaßlich ein Brand gelegt und ein Mast war auf eine Hochspannungsleitung gestürzt. Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi schrieb auf X von "böswilligen Taten", erklärte aber auch, dass der Energieversorgung schnell wiederhergestellt wurde.
Auch die Abschlussgala des Filmfestivals war von dem Stromausfall nicht betroffen, da dieses über eine eigene, unabhängige Stromversorgung verfügt.
Damien Martinelli, der Generalstaatsanwalt von Nizza, teilte mit, momentan werde noch die genaue Vorgehensweise der möglichen Saboteure ermittelt. Die Polizei fand an dem Umspannwerk in Nizza Einbruchsspuren, sowie Reifenabdrücke in der Nähe.
Bereits am 26.5. wurde online ein Bekennerschreiben von zwei anarchistischen Gruppen veröffentlicht, dessen Korrektheit aktuell noch geprüft wird. Das Schreiben enthält scharfe Kritik an der französischen Rüstungsindustrie und am „System“ selbst, das die potenziellen Täter als „lebensfeindlich“ beschreiben. Zudem heißt es in dem Schreiben, die Aktion habe das Ziel verfolgt, das Filmfestival zu stören, außerdem auch Forschungseinrichtungen, Rüstungsfirmen, Start-ups, den Flughafen und weitere Einrichtungen in der Region lahmzulegen.
Offenbar findet der Begriff „Coupez!“ mehrfach Verwendung in dem vorliegenden Text. Innerhalb einer Filmproduktion wird dieser verwendet, um das Ende einer Szene zu markieren, vergleichbar dem vertrauten „Cut!“. Angelehnt an die mutmaßliche Sabotage-Aktion kann der Begriff auch verwendet werden, um die Unterbrechung eines Prozesses zu beschreiben.
Das Kino und der Protest gegen die Exekutive besitzt eine gewisse Historie in Frankreich, spielte doch schon die Cinémathèque française eine wichtige symbolische und kulturelle Rolle im Vorfeld der Studentenunruhen in Frankreich im Mai 1968.
Ob die vermuteten Saboteure im weitesten Sinn aus den Reihen audiovisueller KünstlerInnen stammen, wird sich erst nach einer eventuell filmreifen Ermittlung zeigen.





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