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Was hat der Kurilenkonflikt mit Deutschland zu tun ? - Pazifik Inseln, Tokio, Berlin und Moskau

Der etwas andere Pazifik-Konflikt

Schonmal von den Kurilen gehört? Ich musste auch einen Ausflug über Google Maps machen… Eine Inselgruppe nordöstlich von Hokaido, Japan. Die südlichen Inseln dieses Archipels werden seit Ende des zweiten Weltkriegs von RUS verwaltet und von JAP beansprucht. Konkret geht es um folgende Territorien:


-              Etorofu (択捉島, -tō); russisch: Iturup (Итуруп): 3.184,0 km²

-              Kunashiri (国後島, -tō); russisch: Kunaschir (Кунашир): 1.498,8 km²

-              Shikotan (色丹島, -tō); russisch: Schikotan (Шикотан): 253,3 km²

-              die Insel-Gruppe Habomai (歯舞群島, -guntō); russisch: Chabomai (Хабомай): 99,9 km²


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Screenshot via Google Earth; weiß: Besuch der DEU BOT, rot: betroffene Territorien


Der Kurilenkonflikt ist ein seit Ende des Zweiten Weltkriegs ungelöster Gebietsstreit zwischen Japan und Russland um die südlichsten Inseln des Kurilen-Archipels – die Habomai-Inseln, Shikotan, Kunashiri und Etorofu. Sie wurden 1945 von der Sowjetunion nach deren Eintritt in den Pazifikkrieg besetzt und werden seitdem, heute unter russischer Kontrolle, verwaltet. Der Streit wurzelt im Fernbleiben Moskaus vom Friedensvertrag von San Francisco (1951), in dem Japan auf die Kurilen nördlich von Iturup verzichtete, den Vertrag jedoch nicht mit der Sowjetunion abschloss. 1956 erklärte sich Moskau in einer gemeinsamen Deklaration bereit, Shikotan und die Habomai-Gruppe im Falle eines Friedensvertrags zurückzugeben, während Japan auf Grundlage historischer Verträgewie Shimoda (1855) und Sankt Petersburg (1875) die Rückgabe aller vier Inseln fordert und die Beschlüsse von Jalta nicht anerkennt. Die Inseln sind in Russland Teil der Oblast Sachalin, werden von Japan aber weiterhin als Teil der Präfektur Hokkaidō betrachtet.


2019 schienen die Gespräche zwischen Premierminister Shinzō Abe und Präsident Wladimir Putin kurz vor einer Einigung zu stehen, bei der Japan sich mit der Rückgabe von Shikotan und Habomai zufriedengegeben hätte. Doch der russische Außenminister Sergei Lawrow stellte klar, dass nicht über eine Rückgabe verhandelt werde und die Inseln zu Russland gehörten. 


Der Kurilenkonflikt heute

Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bezeichneten Japans Regierung und Außenminister im März 2022 die vier Inseln als festen Bestandteil Japans und warfen Russland „illegale“ Besetzung vor – erstmals seit fast 20 Jahren. Russland brach daraufhin die Friedensgespräche ab und begründete dies mit Japans „offen feindseliger Haltung“ und dessen Beteiligung an westlichen Sanktionen. Doch auch schon vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verschlechterten sich die Aussichten auf eine Einigung im Kurilenkonflikt immer wieder durch als Drohung empfundene Schritte Moskaus. So stationierte Russland Ende 2020 ein (damals) modernes Raketenabwehrsystem auf der Insel Iturup und baute seine militärische Präsenz mit Soldaten, Kampfflugzeugen und Raketenstellungen aus. Diese Maßnahmen, zusammen mit offiziellen Besuchen hochrangiger Politiker und einer engeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit China, untermauerten den russischen Anspruch und ließen die Hoffnungen Japans auf einen Friedensvertrag schwinden.


Warum die Kurilen interessant für Russland sind?

Aus strategischer Sicht gelten die Kurilen für Russland als militärisch relevant: Wie der russiche Militärexperte Viktor Litowkin betont, ermöglichen die tiefen Fahrrinnen zwischen den Inseln Kriegsschiffen und Atom-U-Booten aus Wladiwostok einen schnellen Zugang zum Pazifik. Aschdar Kurtow verweist zudem auf das im russischen Diskurs fest verankerte Narrativ, die NATO habe trotz gegenteiliger Zusagen nach dem Kalten Krieg expandiert – ein Szenario, das Moskau auch auf die Kurilen anwenden könnte.


Und was hat Deutschland jetzt damit zu tun?

Aktuell ist der Kurilenkonflikt auch für Deutschland zum diplomatischen Thema geworden. Auslöser war der Besuch der deutschen Botschafterin in Japan, Petra Sigmund, in der Stadt Nemuro auf Hokkaidō, unweit der von Japan beanspruchten Südkurilen. Moskau wertete dies als Infragestellung seiner Souveränität und bestellte den deutschen Botschafter in Russland, Alexander Graf Lambsdorff, ein. Dieser wies die Vorwürfe entschieden zurück und nutzte den Anlass, um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine scharf zu kritisieren.

Der jüngste diplomatische Schlagabtausch um den Besuch der deutschen Botschafterin in Japan verdeutlicht, wie das Auswärtige Amt strategische Kommunikation gezielt einsetzt – sowohl zur Entkräftung fehlerhafter russischer Darstellungen als auch zur Platzierung eigener, wirkmächtiger Narrative. In der offiziellen Erklärung wird zunächst klar und präzise „debunked“: Die Botschafterin habe sich nicht zum völkerrechtlichen Status der umstrittenen Inseln geäußert und das Gebiet auch nicht betreten, womit Russlands Vorwürfe faktisch entkräftet werden. Gleichzeitig nutzt Berlin die Gelegenheit, den Fokus aktiv zu verschieben und ein eigenes Narrativ zu setzen: Die empörte Reaktion Moskaus auf einen harmlosen Besuch wird kontrastiert mit dessen fortgesetzter, völkerrechtswidriger Invasion der Ukraine. So wird Russlands Vorgehen nicht als legitime Verteidigung eigener Souveränität dargestellt, sondern als Ausdruck eines umfassenden Revisionismus, der die Grundprinzipien der europäischen Friedensordnung und der UN-Charta untergräbt. Dieses Doppelspiel aus faktenbasierter Widerlegung und normativ aufgeladenem Gegenarrativ stärkt die deutsche Position und bettet den Vorfall in den größeren geopolitischen Kontext ein.


Unserer Wertung

Der Vorfall unterstreicht erneut die zentrale Bedeutung strategischer Kommunikation für die Abwehr und Bekämpfung hybrider Bedrohungen. Das Auswärtige Amt hat hier – wie bereits in früheren Fällen – überzeugend gehandelt und damit einmal mehr gezeigt, dass in Deutschland die nötigen Kompetenzen vorhanden sind, diese jedoch bislang nicht konsequent und regelmäßig genug zum Einsatz kommen.

Zugleich verdeutlicht der Fall die potenzielle Sprengkraft des Kurilenkonflikts, der sich leicht an bestehende anti-NATO-Narrative anschließen ließe. Ein solches Szenario könnte Russland nicht nur die Ausweitung seiner Einflusssphäre im Westen, sondern auch im Pazifikraum ermöglichen – ein weiterer strategischer „Pivot to Asia“ mit erheblichen sicherheitspolitischen Implikationen.

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