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Polens Wahl 2025: Zwischen Demokratie, Desinformation und Druck von außen



Nach den angespannten Präsidentschaftswahlen in Rumänien vor zwei Wochen gingen auch die polnischen WählerInnen am vergangenen Wochenende zur zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen 2025 an die Wahlurnen. Die beiden Kandidaten spiegelten einen aktuellen Trend in der europäischen Politik wider: Auf der einen Seite ein pro-europäischer Liberaler, auf der anderen ein EU-skeptischer Unabhängiger mit umstrittenen Positionen und starker Unterstützung im konservativen ländlichen Raum.

In diesem Fall war der pro-europäische Kandidat Rafał Trzaskowski, ein erfahrener Politiker und Oberbürgermeister von Warschau sowie Mitglied der Bürgerplattform (PO) von Premierminister Donald Tusk. Er stieg vom Europaabgeordneten über verschiedene Regierungsämter schließlich zu einem Bürgermeister auf. Herausgefordert wurde er von Karol Nawrocki, dem ehemaligen Weltkriegs Museumsdirektor aus Danzig, einem Politiker im „MAGA-Style“, der erfolgreich Unterstützung bei rechtskonservativen WählerInnen und der national-konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mobilisieren konnte. Die Stichwahl fand am vergangenen Sonntag, dem 1. Juni, statt und endete mit einem äußerst knappen Sieg für Karol Nawrocki (50,89%).

Schon nach dem ersten Wahlgang am 18. Mai war die Situation angespannt. Um ihre Unterstützungsbasis zu mobilisieren, veranstalteten beide Kandidaten Kundgebungen. Trzaskowski stellte dabei vor allem schnelle Reformen und die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt. Diese war in den vergangenen Jahren stark untergraben worden, insbesondere unter dem ehemaligen Präsidenten Andrzej Duda, der bis zuletzt als “Blocker” der pro-europäische Regierung von Donald Tusk galt. Bereits unter der PiS-Regierung war das Verhältnis zu Brüssel massiv belastet – durch restriktive Abtreibungsgesetze, Einschränkungen der Meinungsfreiheit oder die gezielte Diskriminierung von LGBTQ+-Personen.

Nawrockis Kundgebung setzte hingegen auf die Botschaft „Polen zuerst“, betonte traditionelle christliche Werte sowie nationale Stärke und Sicherheit durch eine restriktive Migrationspolitik – eine populistisch-nationalistische Rhetorik, die an das MAGA-Narrativ erinnert.


Wenn sich zwei streiten, wird der Dritte relevant


Ein dritter Kandidat, ein ultrarechter Politiker, der zwar in der ersten Runde ausschied, aber fast 15% der Stimmen erhielt, brachte zusätzliche Bewegung in das Geschehen. Seine Wählerschaft wurde zu einer entscheidenden Zielgruppe für Trzaskowski und Nawrocki im zweiten Wahlgang. Mentzen, der dritte Kandidat, stellte einen „Acht-Punkte-Plan“ zu Themen wie Steuern, Währung, Meinungsfreiheit, Waffenrechten, Widerstand gegen “EU-Einfluss” und die Ablehnung einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine vor. Nawrocki unterzeichnete den Plan vor der Stichwahl und diskutierte ihn gemeinsam mit Mentzen auf dessen YouTube-Kanal, während Trzaskowski eine Unterschrift verweigerte, obwohl er einigen Punkten zustimmte. Mentzen hat keine klare Wahlempfehlung für seine WählerInnen ausgesprochen, jedoch eine etwas geringere Ablehnung gegenüber Nawrocki erkennen lassen.

Nawrocki erhielt zudem prominente internationale Unterstützung. So sprach sich beispielsweise der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán öffentlich für ihn aus. Laut eigenen Angaben sei auch ein Treffen Nawrockis im Oval Office erfolgreich verlaufen, Trump habe ihm dabei versichert, dass er die Wahl gewinnen werde. Die US-Regierung unter Trump rief polnische WählerInnen offen dazu auf, Nawrocki zu unterstützen.

Gleichzeitig warfen republikanische US-Abgeordnete der Europäischen Kommission Voreingenommenheit vor. Sie behaupteten, die Kommission bevorzuge Trzaskowski, indem sie angebliche Rechtsstaatlichkeitsprobleme unter der Regierung Tusk ignoriere, während sie gegenüber der PiS deutlich kritischer gewesen sei. Zu den Vorwürfen zählte auch eine Kontroverse um Facebook-Anzeigen zugunsten Trzaskowskis, die angeblich aus dem Ausland finanziert worden sein sollen – ein Vorwurf, den Trzaskowski zurückwies. Die polnische Cybersicherheitsbehörde NASK konnte die Herkunft der Finanzierung zwar nicht bestätigen, schloss jedoch eine gezielte Provokation nicht aus und übergab den Fall an die nationalen Sicherheitsdienste. Meta teilte mit, dass die Anzeigen zum Zeitpunkt ihrer Meldung bereits abgelaufen gewesen seien. Gleichzeitig kritisierten republikanische PolitikerInnen die polnische Regierung, weil sie Wahlkampfgelder der PiS wegen mutmaßlicher Zweckentfremdung eingefroren hatte. Dieser Schritt wurde später durch ein umstrittenes Urteil des Obersten Gerichts angefochten. Die Europäische Kommission erklärte, dass die Aufsicht über Wahlen in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten liege. Gleichzeitig betonte sie jedoch ihr grundsätzliches Engagement für freie und faire Wahlen, wofür sie unter anderem die EU-Regelungen zur Moderation digitaler Inhalte sowie die geplante Initiative „European Democracy Shield“ ins Feld führte.


Desinformation und Einflusskampagnen


In welchem Ausmaß diese Vorwürfe über ausländische Einflussnahme und Desinformation das Wahlergebnis beeinflusst haben, ist schwer zu beurteilen. Auffällig ist jedoch, dass die Auseinandersetzung zwischen pro-europäischen und EU-skeptischen Kräften nach wie vor die europäische Politik bestimmt – Desinformationskampagnen sind dabei längst zu einem festen Bestandteil moderner Wahlkämpfe geworden. Die Frage ist dabei längst nicht mehr, ob Desinformationskampagnen stattfinden, sondern in welcher Form sie auftreten.

In diesem Zusammenhang veröffentlichte die Organisation Alliance4Europe einen Bericht über die sog. Doppelgängerkampagne im Rahmen der polnischen Präsidentschaftswahlen 2025. Diese wurden der russischen Social Design Agency zugeschrieben, die bereits von der EU sanktioniert wurde. Anstelle gefälschter Webseiten setzte die Kampagne auf eine Flut von Social-Media-Beiträgen, vor allem auf X, mit Desinformationen in polnischer Sprache in Form von Bildern, Memes und Videos. Diese verbreiteten spalterische Narrative und sollten automatisierter Moderation der Plattformen umgehen. Zwischen März und April 2025 wurden 279 solcher Beiträge identifiziert, die EU-feindliche, anti-ukrainische und establishmentkritische Botschaften verbreiteten. Oft basierten diese auf wirtschaftlicher Frustration, Migrationsdebatten und Politikverdrossenheit.

Ein besonders gravierendes Beispiel ist „Radio Belarus“, ein staatsnahes Medium, das unter EU-Sanktionen steht und auf TikTok und YouTube gezielt Inhalte verbreitete, um die polnischen Wahlen zu beeinflussen. Trotz der Sanktionen erreichten die Inhalte ein großes europäisches Publikum, insbesondere mit Narrativen zum Krieg in der Ukraine, Migration, vermeintlichen Wahlbetrug und Themen rund um sexuelle Orientierung und Identität. Während TikTok die Inhalte für EU-NutzerInnen aufgrund der EU-Sanktionen sperrte, reagierten Plattformen wie X, YouTube und Facebook kaum adäquat darauf.

Ein weiterer aufgedeckter russischer Manipulationsversuch bestand in gefälschten Doppelgänger-E-Mails: So gingen bei mehreren polnischen Gemeinden E-Mails ein, in denen angeblich im Namen einer ukrainischen NGO Genehmigungen für Pro-Trzaskowski-Kundgebungen beantragt wurden. Diese Mails entpuppten sich als Fälschungen, die von rechtsradikalen AkteurInnen genutzt wurden, um anti-ukrainische Stimmung zu erzeugen und zugleich Trzaskowski zu diskreditieren. Zwar griffen die Behörden ein, doch die TäterInnen konnten bislang nicht ermittelt werden. Polnische ExpertInnen beobachten, dass Russland eher auf subtile Methoden wie Identitätsdiebstahl und die gezielte Unterstützung randständiger KandidatInnen setzt, anstatt auf aufwendige Deepfakes oder massenhafte Hackerangriffe. Die polnische Cybersicherheitsagentur NASK beschreibt diese Versuche als punktuelle Störungen, die darauf abzielen, Unsicherheit und Misstrauen unter den WählerInnen zu erwecken. Es handelt sich dabei zwar nicht um eine konzertierte Großoffensive, die Gefahr sei jedoch nicht zu unterschätzen.

Wie stark Desinformationen und externe Einflüsse das Wahlergebnis tatsächlich geprägt haben, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nur schwer sagen. Klar ist jedoch: Desinformation stellt weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr für die Europäischen Demokratien dar. Für Polen selbst ändert sich durch den Wahlsieg Nawrockis nur wenig an der politischen Machtverteilung – das Präsidentenamt bleibt in den Händen eines regierungsfernen Lagers und ist vor allem zeremoniell. Dennoch könnte Nawrocki, wie zuvor Duda, die Arbeit der Regierung Tusk durch sein Vetorecht erheblich erschweren. Umso spannender wird daher der Blick auf die nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2027, die maßgeblich über die künftige politische Ausrichtung Polens entscheiden dürften – und damit auch über die Stabilität der europäischen Demokratie insgesamt.

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